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Montag, 23 Dezember, 2019

Kommentare

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Die Überlegungen zu einer Gesellschaft der Freien und Gleichen orientieren sich an der Vorstellung des einfachen Menschen, dem die individuelle Freiheit trotz täglicher Maßregelung durch die gegebene bürgerliche Ordnung ein primäres Bedürfnis neben der Sicherung des Zugangs zu gesunder Nahrung sowie zu ordentlichen Wohnverhältnisse geblieben ist. Mit der individuellen Freiheit ist ausdrücklich nicht die egoistische Freiheit des Bürgers gemeint, die durch das geltende Gesetz unter dem besonderen Schutz des Staates steht. Das egoistische Recht des Bürgers ist die Ursache, dass die Freiheit der Menschen eine Utopie darstellt, solange dieses egoistische Recht Bestand hat.

In den westlichen Industrienationen ist die Knappheit an Gütern und Dienstleistungen längst überwunden. Die Überwindung der materiellen Knappheit, die den bürgerlich verfassten Gesellschaften in Konkurrenz mit sozialistischen Gesellschaften scheinbar besser gelungen ist, befördert längst eine neue Gefahr, die bisher in der Geschichte der Menschheit nicht denkbar war: Dass der Mensch das natürliche Gleichgewicht der Natur dermaßen stört, dass Klimaveränderungen eine Knappheit an materiellen Gütern erzeugt, denen der Mensch nicht mehr Herr werden kann.

Die Software "Thingamablog" wurde inzwischen auf meine Bedürfnisse angepasst. Der softwareeigene Link "Credits" wurde erst einmal in "Diskussionsforum" umbenannt; mehr nicht. Denn wie das in einem Rechtsstaat ist, der alle Beziehungen der Menschen untereinander dem Recht unterwirft, werde ich jetzt erst einmal beim Inhaber der Rechte nachfragen, ob ich seine Software für meine Bedürfnisse manipulieren darf. Meine Vision einer Welt der OpenSource Software unter einer General Public License (GPL) entwickelt sich, aber es dauert. Am Ende wird sich zwar auch die menschliche Vernunft eines Software-Pioniers wie Richard Stallmann durchsetzen, aber bis es soweit ist, müssen wir mit diesen proprietären Software-Produkten leben.

Zum Nachdenken: Weshalb wird die Steuersoftware für die Einspritzung fossiler Stoffe in die Verbrennungsmotoren der Autos nicht als Opensource - Software unter die GPL gestellt? In Konkurrenz miteinander würde sich ein Optimum der Einspritzung gemeinschaftlich verwirklichen lassen. Auch sei in diesem Zusammenhang an den Absturz des Flugs 004 der Lauda-Air mit über 200 Toten erinnert: Weshalb ist die Programmroutine zur Auslösung des Umkehrschubs der Düsentriebwerke als Steuerungssoftware nicht OpenSource? Vielleicht wäre der Programmierfehler, der zum Absturz der Maschine geführt hat, noch vor dem Absturz entdeckt worden.

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Posted by Michael Schwegler at 17:22
Edited on: Montag, 22 Februar, 2021 12:29
Categories: Kommentare

Neuer Faschismus, Neue Demokratie

Im Wagenbach-Verlag erschien im Jahr 1972 der Politikband 43 mit dem Titel "Neuer Faschismus, Neue Demokratie" eine Streitschrift über den Faschismus im Rechtsstaat. Die Autoren fassen ihre Aufsätze mit folgenden Sätzen zusammen:

Der neue Faschismus braucht keine aktive Massenbasis mehr, es genügt ihm die <schweigende Mehrheit>. Er bedient sich der Legalität: Er übernimmt den Staat von innen, nicht von außen. Wie dies heute in unserer postmodernen Zeit funktioniert, darüber wird derzeit und in Zukunft kleinschrittig berichtet.

Im selben Verlag schrieb Michela Murgia die Satire Faschist werden.

Vom ehemaligen italienischen Justizminister und Rechtsgelehrten Alfredo Rocco soll der Satz stammen, "die Verwirklichung eines Rechtsstaates wäre die Krönung des faschistischen Staates.

Oury Jalloh verbrannte im Jahr 2005 in Polizeigewahrsam. Hier der Eintrag bei Wikipedia . Es ist erschreckend: Der Ruf, Nie wieder Faschismus, darf nicht zur rituellen Floskel verkommen. Der Fall Oury Jalloh muss sehr ernst genommen werden.

Aber auch bei politischen Prozessen muss längst wieder genau hingeschaut werden. Noch werden die Prozessbeobachter in bürgerlich verfassten Staaten nicht ausgesucht und Berichte zu den Prozessen können von einer politisch bedeutungslos kleinen Gruppe von Menschenrechtsaktivisten für die Niederschrift des Zeitgeschehens noch wahrgenommen werden. Was wurde eigentlich über Rechtsstaatlichkeit bezüglich des konkreten Prozessgeschehens in der Verhandlung gegen die Geschwister Sophie und Hans Scholl und Christoph Probst berichtet? Bekannt ist, dass sich der Vorsitzende Richter Roland Freisler leidenschaftlich sich der politischen Sache im Prozess annahm und alle drei zum Tode verurteilte.

Die Richterin Vanessa Baraitser wird nicht aus Leidenschaft am 21.10.2019 den Vorsitz im vorgeschriebenen Anhörungstermin zur Festlegung des feststehenden Zeitplanes der Auslieferung von Julian Assange wahrgenommen; derartiges ist ihr Job. Das Ergebnis indess könnte sich im Wesentlichen am Ende nicht unterscheiden. Sie, wird man am Ende sagen, hätte nichts dafür können, dass der Angeklagte im Mutterland der Demokratie gequält wurde und auch nicht wenn Julian Assange ausgeliefert wird: Wie nachweislich berichtet wird gab sie sich doch noch nicht einmal den Anschein zuzuhören. Es waren rechtsstaatliche Gründe, die Julian Assanges zerstört haben.

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Posted by Michael Schwegler at 17:22
Edited on: Montag, 22 Februar, 2021 12:30
Categories: Hintergrund

Extinction Rebell*innen

ihr seid aufgebrochen und mehr und mehr sind zu euch gestoßen, gemeinsam habt ihr Ortsgruppen gebildet; weltweit. Nicht aus freien Stücken, die Sorge treibt viele und viele haben einen triftigen, den selben Grund.

Nur noch Menschen, die empirisch erfasste Befunde über den Klimawandel so gar nicht deuten können, wollen ein "alles weiter so" und das auch nur wenn der Grund für sie günstig ausfällt. Die meisten Menschen machen sich darüber keine Gedanken; zwischen der Flut von Informationen tritt nur die Werbung ordentlich optimiert hervor, das Menschliche muss zurücktreten. Diejenigen, denen wir die Lebensmittel besorgen müssen kennen ohnehin nur ihren Weg und diese haben ihren Katechismus schon vor langer Zeit gegen das Bürgerliche Gesetzbuch eingetauscht. Sie fühlen sich wohl in einem Leben, das sie gerne als eine Form des "american way of life" betiteln obwohl sie in aller Regel dieses Leben gar nicht kennen. Sie genießen es im Kino und anderswo, keinesfalls aber zu Hause, denn das haben sie schon lange nicht mehr. Ihr Leben nützt, taugt aber nicht; vor allem nicht für ein harmonisches Leben mit Anderen gemeinsam auf diesem Planeten.

Die aber, die empirische Befunde zu Deuten verstehen, wissen, dass es eigentlich zu spät ist. Aber sie wollen nicht mehr länger nur diskutieren und zuschauen. Ihr bequemes Leben ist unbequem geworden und viele wissen gar nicht was sich eigentlich genau verändert hat. Vieles hat sich verändert. Aber wer ist schon dermaßen privilegiert Veränderungen wahrzunehmen und kann sie sogar studieren?

Aber auch ohne dieses Privileg nehmen sie inzwischen Veränderungen war. Sie verstehen weshalb Menschen alles riskieren um weg zu kommen aus Landschaften, die zunehmend verarmen, die kaum mehr bewohnbar sind. Verarmen an Allem: angefangen von sauberem Wasser, Bodenflächen, für die man noch nicht bezahlen muss, an Rechten, die nur andere haben. Irgendwann ist das Maß voll, da packte man das Wenige was noch blieb, besorgt sich das letzte Geld und bezahlt alles, notdürftig. Sie suchen und wollen doch nur das Letzte zurück, das nicht bezahlbar ist aber längst bezahlt werden muss: Würde. Doch dafür fehlt ihnen das Geld.

Auf der anderen Seite des Himmels wollt ihr handeln. Nicht Selbstsucht treibt euch. Aber es ist auch nicht klar was neben der fundamentalen Sorge um den Klimawandel euch treibt weil das Ziel nicht klar ist. Ihr sagt, dass das "selber essen macht satt" keinen Grund darstellt und ihr aus der Komfortzone heraustreten wollt, das toxische System gar in Frage stellt. Ihr beziffert jede eurer Visionen ausgerechnet von 1 bis 10, die aber deshalb doch noch keine Visionen sind und auch keinesfalls Gebote. Es sind Vorsätze, die kaum taugen, dass das Selbstverständliche, das jedem einfachen Menschen seit Urzeiten eigen ist, wieder hergestellt wird: Visionen auf Veränderungen, einer Kultur der Regeneration, der Reflexionen und des Lernens. Vor allem Letzteres wird längst staatlich verordnet, das sind Illusionen. Und das Gastrecht, das auch schon früher alle willkommen hieß und selbst dann galt, wenn die Krüge und der Brotkorb nur wenig gefüllt waren; es ist nichts Neues. Das haben die Katholiken, die dem Evangelisten Matthäus folgten auf dem Land schon immer gelebt. Das wurde nur vergessen, musste vergessen werden, damit der Markt der Konkurrenz, der sich inzwischen entwickelt hatte für die Bürger allerorts besorgt werden konnte. Dieser Markt entstand früh und kann genau datiert werden mit den Tagen, in denen die Allmenden den Bauern genommen wurden und sie gegen die Herren zum ersten Mal deshalb in einen hoffnungslosen Krieg zogen. Dort mussten sie sogar noch den Fluch des Augustinermönchs Martin Luther ertragen, wenn sie ihn noch hören mussten bevor sie die Lanze traf.

Ihr seid dabei die Fesseln der bürgerlichen protestantischen Tugenden abzulegen. Das Gehen ohne Fesseln aber muss erst wieder gelernt werden nachdem ihr die religiösen Fesseln auch abgeworfen habt. Das habt ihr auch bedacht: Es ist eure wirkliche Vision und derzeit die Einzige, die in die Zukunft zeigt. Ihretwegen bin ich bei euch: Ziffer 9, die Idee eines gewaltfreien Netzwerkes. Gerade der weitere Ausbau eures Netzwerkes wäre etwas wirklich tragfähiges, das den Gesellschaften, die sich über den Staat organisieren, als Vorbild entgegengestellt werden kann; das uns organisiert und geeignet sein könnte, den bürgerlichen Staat wieder aus den Köpfen zu treiben. (-> 2. Nachtrag). Ein wahrhaft menschliches Netzwerk, in dem weltweit sich die Menschen gegenseitig zuhören und ihre materiellen Grundlagen miteinander teilen. Es ist aber falsch wie ihr diese Vision kommuniziert. Wer weiß wie die Polizei seit vielen Jahrzehnten kaserniert ausgebildet wird kann euer anbiederndes Geschwätz kaum ertragen. Natürlich sind Polizist*innen Menschen wie du und ich, aber sie stehen unter einem Befehl. Wie immer werden sie knüppeln, gar totschlagen, wenn der Befehl gegeben wird. Karl-Heinz Kurras muss euch im Gedächnis bleiben auch wenn ihr damals noch gar nicht geboren ward. Er steht stellvertretend für jeden bestellten Mörder aus dem Umfeld der Polizei. Oury Jalloh lebte bereits unter euch; wie Benno Ohnesorg war er Mensch. Genauso wenig wie all jene vergessen werden dürfen die ihren Dienst bei der Polizei quittieren weil sie nachgedacht haben. Es geht im Kern doch auch nicht wirklich darum: Weshalb kommuniziert ihr diese Heucheleien? Wieder komme ich zurück auf den Evangelisten Matthäus. Es geht um die Wange, die auch mit der Linken geboten wird wenn der Andere zuschlagen muss. Das heißt aber nicht, dass der Andere frei gesprochen werden darf, ihm zuvor gar Blumen überreicht werden müssen. Er gehört nicht zu euch! Das Leben auf diesem Planeten ist nicht das Paradies.

Der krasse Gegensatz muss stets bewusst, muss kalkuliert werden; gewaltlos. Und so komme ich zur eigentlichen Sache: Die Wolken, die aufgezogen sind und eure Schatten aufgelöst haben.

Es muss klar sein, dass dieser Roger Hallam zunächst die Schatten und jetzt die Medien bedient hat. Die Medien wussten natürlich, dass viele Menschen mit diesem Virus des Selbstischen, der persönlichen Eitelkeit infiziert sind. Dieser Virus ist der Träger des bürgerlichen Lebensgefühls. Hier aber sind die Medien das Problem. Obwohl alle wussten, dass eines Tagen zumindest einer der Protagonisten von XR diesem Virus erliegen wird, schlugen sie zu ohne seine Krankheit zur Kenntnis zu nehmen. Sie beschützen ihn nicht wie sie euch nicht beschützen werden wenn die Sache ernst wird. Sie instrumentalisierten ihn, stellten ihn aus. Gut, dieser Herr Hallam ist ein menschenverachtender Mensch, einer der noch geistig bei den Gestrigen verblieben ist, von denen Hannah Arendt schon berichtet hat, als sie von der Banalität des Bösen sprach: Ein Mensch, der einen Satz vom "Rohr, durch das Gas in die Gaskammer fließt" in Kenntnis der Grauen von Auschwitz formuliert ist schwer krank und hätte beschützt werden müssen; ihn darf man keinesfalls auf eine öffentliche Bühne zerren, sonst macht man sich selber schuldig. Viel mehr schuldig als dieser armselige verlassene Mensch sich schuldig gemacht hat. Mit seinem menschenverachtenden Hilferuf, mit dem er die Mörder und Stiefellecker der früheren faschistischen Herren noch einmal anruft, obwohl diese längst tot sind, stimuliert er die Phantasien der Medien auf ein außerordentliches Geschäft. XR-Rebell*innen schweigt dazu, da ist nichts zu sagen.

Nutzt stattdessen diese aufziehenden Wolken, die alle Schatten vertreiben und der Verlust eurer Schatten diesmal nicht euch sondern diesen finsteren Wolken geschuldet ist zur Formulierung eines klaren Ziels wohin ihr wollt. Aber es genügt nicht nur etwas zu wollen: Vom bloßen Wollen ist noch keiner satt geworden sagte Ernst Bloch an solchen Stellen. Sein Prinzip Hoffnung ist doch das Einzige was uns noch trägt und deshalb sollten wir auf ihn hören. Es müssen jetzt die Wege gegangen und das Ziel benannt werden. Sonst kommt das Netzwerk XR ans Ende noch bevor die Richtung bestimmt worden ist.

Ihr sagt ihr verlasst die Komfortzone, wollt handeln nicht zuerst für euer Wohl sondern für das Wohl aller. Zum Schwur ist es noch nicht gekommen: Noch haltet ihr fest was ihr habt. Das ist verständlich, denn es ist schwer zu verzichten Erst recht wenn man nicht genau weiß wozu. Ihr seid auch nicht Glaubensschwestern und Glaubensbrüder; die Natur liegt euch am Herzen, ihre Bedrohung durch den ungebrochenen Anstieg des Kohlendioxids in der Atmosphäre. Ihr wollt nicht warten und falsifizieren kann eh keiner die empirischen Befunde, die euch treiben. Bedenkt aber: manch einer verzichtet nur weil er nichts hat. Das ehrt ihn nützt aber nichts: Es geht nicht um Neutralität. Wir müssen abgeben von dem was wir haben. Und jetzt wo die Schatten weg sind müsst ihr sagen wohin ihr wollt; besser was ihr wollt. Abgeben allein nützt ja nichts wenn die Anderen den Verbrennungskapitalismus weiter nicht nur betreiben sondern weiter ordentlich anheizen! Sie werden euch belächeln weil ihr als nützliche Idioten euch zu Helfern der Sozialsysteme dekratiert und helft dieses System der täglicher Ausbeutung und Niedertracht zu stabilisieren. Die Vermögenden werde euch danken und vielleicht sogar noch etwas zu euren Abgaben beisteuern; die lassen sich nicht lumpen.

Das alles ist aber kein Systemwandel, von dem die 15-jährige Greta Thunberg so klar gesprochen hat. "Ihr habt uns bisher nicht geholfen, ihr werdet uns auch künftig nicht helfen", und weil das so ist und ihr innerhalb des Systems nicht ändern könnt dann müsse eben das System geändert werden. Trotzdem betrat sie die politische Bühne. Sie ist jung. Ihr dürfen wir das nachsehen.

Euch ging eine Bewegung voraus, die sogenannte 68iger. Die Erkenntnis, dass damals ein Einzelner den Marsch durch die politischen Institutionen empfohlen hat und damit eine kleine aber immerhin überhaupt eine erste Chance nach dem verheerenden Krieg trotz vieler Warnungen so leichtfertig verspielt hat sollte eigentlich Warnung für euch genug sein: Macht nicht denselben Fehler. Meidet die politische Bühne. Diskutiert die Ursachen des Klimawandels und handelt.

Nachtrag: Zumindest für die XR-Ortsgruppe Hamburg-Harburg darf ich Auskunft geben: Sie handelt. Glaubte ich. Sie unterstützt nicht mehr ohne Wenn und Aber die Erklärung aus Freiburg. Denn es wurde doch noch eine Stimme laut, die verlangt, dass diese Erklärung nicht unterstützt wird. Das Ziel, die Rettung des Planeten, muss auf die Befindlichkeiten einzelner Rebell*innen natürlich achten und erst einmal hinten anstehen. Immerhin kommt dann die Revolution, von der Roger Hallan träumt, auch nicht voran. Der Klimawandel auf unserem Planeten kümmert sich aber nicht um derartige Kinderreien, er wird von Hardlinern erzeugt, mit denen ist in Sachen Klimawandel nicht zu spaßen.

2. Nachtrag: Die Zeit ist fortgeschritten, viel zu schnell und es muss gehofft werden, dass der Klimawandel nicht ebenso schnell nachzieht. Diesen Punkt 3 der ExtinctionRebellen, ich gestehe, ich habe ihn übersehen. Ich habe in den Prinzipien gelesen; die Forderungen habe ich außer Acht gelassen. Die erste Forderung: Sag die Wahrheit, hatte ich noch gelesen, daran erinnere ich mich. Sie reichte mir um ein Vorurteil zu bilden: Kinder sind´s. Aber ich lerne gerne von und mit Kindern, freue mich, wenn die Freude der Kinder bis ins Alter lebendig bleibt. Deshalb war das nicht wichtig und schon gar nicht verdächtig. Jetzt aber, ins Gerede gekommen und öffentlich verhandelt, las ich weiter und muss mich korrigieren, gar entschuldigen. "Den bürgerlichen Staat aus den Köpfen zu treiben", gleichzeitig aber jenseits von Wahlen und aktiver Bürgerbeteiligungen Experten exekutive Macht zu verleihen das hatten wir schon: In autoritären korporativen Systemen. Aus Alfredo Roccos "Camera dei Fasci e delle Corporazioni" wird eine "Camera dei Fasci delle esperti". Es ist vielleicht lange her, aber ich behandle es dogmatisch: Nie wieder Faschismus, dann lieber den natürlichen Tod durch Klimaveränderung.

3. Nachtrag: Euer Sprecher vertrat euch in einer Talkshow. Diese unterhalten heute die Anderen, die nicht wie ihr seid. Sie müssen deshalb ernst genommen werden, er hätte sich vorbereiten sollen. Er wusste was sein Gegenüber sagen wird, der hat nie etwas anderes gesagt. Euer Sprecher hat die Chance verpasst, ihr habt die Chance verpasst. Er hätte die Anderen ins Boot holen können, zumindest sein Gegenüber. Euer Sprecher war freundlich, er vertrat die harte Linie; bestimmt, aber mit einem falschen Gedanken. Denn sein Gegenüber hat recht: die Verursacher des Klimawandels agieren weltweit! Die Menschen dort sind oft noch unterentwickelt und wollen ein Leben führen wie wir. Es ist unfair ihnen das zu verdenken! Sein Gegenüber hat recht wenn er mahnt, dass der dort laufende Verbrennungskapitalismus ins Visier genommen werden muss. Natürlich dar dies nicht vom eigenen Verbrennen ablenken. Aber bedenkt, die Anderen wollen und wir besorgen das Geschäft. Das wird die Erde aufheizen. Er hätte ihn umarmen und ihm dankbar sein sollen für seinen wissenschaftlich fundierten und gesicherten Hinweise. Dass sein Gegenüber deshalb vor der eigenen Haustüre nicht kehren will darauf kommt es doch jetzt nicht an. Er kann ihm das auch nur unterstellen, aber sein Gegenüber folgte eurem Gebot: Sag die Wahrheit. Er hätte also diese entscheidende Phase der Diskussion nutzen können um deutlich zu machen, dass die erste Aufgabe von Extinction Rebellen der Aufbau eines weltumspannenden Netzwerkes ist, in dem sie den Staatenlenkern die Stirn und die Völker aufklären wollen. Das Material der Aufklärung liefern sie zusammen mit den reichen Menschen in ihrem Land; das verstehen sie unter sofortiger Entwicklungshilfe. Sie kämpfen aber auch dafür, dass sein Gegenüber unterstützt wird und die Technologien entwickelt werden, die eine radikale Abkehr von diesem gottlosen Verbrennungskapitalismus möglich machen. Klar, Gott könnte er weglassen, das klingt dann doch verdächtig, das versteht heute auch eh keiner mehr. Die Chance ist vertan.

Posted by Michael Schwegler at 17:21
Edited on: Montag, 22 Februar, 2021 12:23
Categories: Aktuelles

Matthäus, (Mt 25,40)

Das Gleichnis vom Gericht des Menschensohnes über die Völker

31 Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen.

32 Und alle Völker werden vor ihm versammelt werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet.

33 Er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Böcke aber zur Linken. 34 Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist! 35 Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; 36 ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.

37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben oder durstig und dir zu trinken gegeben? 38 Und wann haben wir dich fremd gesehen und aufgenommen oder nackt und dir Kleidung gegeben? 39 Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?

40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

41 Dann wird er zu denen auf der Linken sagen: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! 42 Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; 43 ich war fremd und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht.

44 Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder fremd oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen?

45 Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. 46 Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben.

Weshalb dieser Text? Wenn Religion Opium für das Volk ist (Marx) so reiche man mir Opium angesichts des Zustands der Welt. Der Text wendet sich gegen Paulus Paulus war auch kein Evangelist, er war Apostel der Kirche. So auch das Dominium terrae des Alten Testaments, das im Neuen Testament keinen Platz mehr fand und nur noch von den bürgerlichen Götzendienern befördert wird. Es veträgt sich überhaupt nicht mit dem Evangelium des Matthäus. Um dies zu verstehen braucht man kein Christ zu sein; dieses versteht sich von selbst. Natürlich müssen wir zuvor bei beiden lesen.

Der Lehrfilm "Macht euch die Erde untertan" wäre ohne musikalische Untermalung und ohne die Mär von den Gesetzen der Natur im Zusammenhang mit ihrer Zerstörung wertvoll. So bleibt sein Warencharakter im Vordergrund: Ansehen, anfassen, weglegen und weglaufen. Die einfache Botschaft, die der Autor des Filmes vermutlich verkünden wollte bedarf all diesem nicht. Mehr noch: Jeder vernünftige Mensch kennt den Inhalt derartiger Filme, er hätte nicht gedreht werden müssen. Und es ist auch nicht der Mensch, der diesen Planeten plündert, Geschöpfe und Pflanzen ausrottet und mehr und mehr zerstört: Es ist eine relativ kleine Gruppe von Menschen, die sich seit ewig scheinenden Zeiten sich der Arbeit anderer Menschen bemächtigt und heute als Bürger einer sogenannten Wertegemeinschaft unter verschiedenen politischen Systemen sich mit Hilfe der Heere von Lohnarbeitern und der Ausbeutung der Natur bereichern. Der Beginn dieser allgemeinen Bereicherung kennzeichnet den Beginn der Moderne. Unter dem Schutz eines neuen Staates betreiben zunehmend mehr Menschen ihr Geschäft. Den neuen Staat hat ein aufgeklärtes Bürgertum an die Stelle der früheren Staaten der Fürsten gewaltsam gesetzt. Die große Mehrheit der Menschen wird von dieser inzwischen schwer bewaffneten Minderheit bedroht, die in ihrem engsten Kreis stets unter sich bleibt und sich im System ihres Staates organisieren. Das klingt nach Verschwörung, ist aber keineswegs eine: Das besorgt das bürgerliche Recht. Dafür musste das göttliche Recht weichen. Staatliche Lakaien traten an die Stelle der Inquisitoren. Sie bedrohen heute Menschen, wenn diese über ihr zerstörerisches Geschäftsmodell öffentlich berichten. Und wenn ein Berichterstatter darüberhinaus auch noch über ihre Manipulationsmethoden, über ihre öffentlichen Lügen und geheimen Absprachen aufklärt, dann schreiten sie unverholen zur Tat. Sie outen sich als Barbaren und schrecken nicht einmal mehr davor zurück solche Aufklärer auch zu töten. Giordano Bruno hätte auch in der Postmoderne besser seinen Mund halten und fernsehen müssen wie das Galileo Galilei getan hat. Den Mund hat er nicht gehalten aber ferngesehen hat er bis es zum Schwur kam: Die Wahrheit war bekanntlich für Galilei dann den Scheiterhaufen nicht wert. Wer also, Bruno oder Galilei? Legal wie seinerzeit die Inquisition den Scheiterhaufen empfahl empfehlen heute in manchen Ländern ihre Verfassungen die Todesstrafe; allein der Scheiterhaufen ist überall verschwunden. Nicht einmal Gott maßte sich ein derartiges Recht an: Du sollst nicht töten. Im Jahr 1600 nicht und auch nicht im Jahr 2019.

Posted by Michael Schwegler at 17:21
Edited on: Samstag, 20 Februar, 2021 19:36
Categories: Selbstverständliches

Die Pest des Protestantismus

Bei diesem Text handelt es sich um Überlegungen, die ungewohnt sind. Der Text sollte korrespondiert werden. Es handelt sich um eine Zusammenfassung eines zentralen Kapitels des noch unveröffentlichten Buches "Ende der Revolutionen". Anders als im Buch wird hier methodisch anders geschrieben. Das Kapitel wird ggf. modifiziert falls nachvollziehbare Einwände und Kritik zu den Inhalten des hier dargestellten Auszugs des Kapitels von Lesern vorgetragen werden.

Nachtrag: Wie oft beim Schreiben werden Inhalte verändert. Es ist klar, das Kapitel muss an manchen Stellen ergänzt und ausgeführt werden. Fast täglich ändert sich jetzt der Text, so wie sich die Zeit ändert, anders ist kein Vorankommen.

Wir wissen heute, anders als das noch im Mittelalter der Fall war, viel über die Pest. Wir wissen, dass es eine bakterielle Seuche ist und die Bakterien von Ratten übertragen werden. Die können nichts dafür, es sind Geschöpfe der Natur; sie folgen nur den Menschen. Aber für das Bakterium, das die Ratten so leicht übertragen, können wir; dieses Bakterium heißt Kapital. Ein Bazillus, der unausrottbar scheint, seit er in die Welt gekommen ist und mit Luther auf Erden gesegnet anstatt bekämpft wurde. Gott habe das so bestimmt und der Mensch müsse dieser Bestimmung folgen; der Mensch habe keinen freien Willen - De servo arbitrio -; willenlos folgen ihm seither die Anderen. De libero arbitrio - aber wir scheinen chancenlos: Die Pest wütet, weltweit.

Mit der Ekklesia des Paulus haben die ersten Anhänger Luthers, den sie noch gar nicht kannten, das Evangelium der Synoptiker Matthäus, Lukas und Markus vertauscht; das sollte keiner merken. Seit dem 13. Jahrhundert haben sie sorgsam ihren Stoff vorbereitet, damit er wirkt. Er wirkte spät, dafür aber umso gewaltiger: Die Pest des Protestantismus brach mit Luther erst 300 Jahre später aus, dann aber wortgewaltig und rassistisch. Nach der Pest des Judentums, über die damals Erasmus von Rotterdam noch berichtet hatte, und damit keinesfalls den Juden meinte, brach wieder eine Pestepidemie aus. Der Bazillus dieser Pest hat es in sich. Die Menschen, die gegen diesen Bazillus immun sind, werden immer weniger und immun sind meist die Menschen dort wo es noch Völker gibt. So meinte das Nietzsche, als er über den Götzen Staat berichtete; also sprach Zarathustra.

Um das alles zu verstehen müssen noch einmal die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen im 12. und 13. Jahrhundert studiert werden, die selbstverständlich heute nicht mehr zum Lehrstoff der Schulen gehören sonst könnte eine andere Aufklärung in Gang kommen, die das Räsonieren über den Raub und die sich darin entwickelnden kapitalistischen Produktions- und Denkweisen ins Zentrum allen Bemühens des Erkennens stellt.

Dieser Stoff ist einfach und einleuchtend; dafür braucht man nicht erst erwachsen werden. Wenn aber zu früh gehört und die Neugierde noch voll die Ausbildung des Gehirns eines Menschen vorantreibt, ist er gefährlich. Verschließt in dieser Zeit besser den Kindern die Ohren. Erzählt ihnen von Thronen und Kronen, darüber braucht nicht deutlich gehört zu werden. Sie erinnern an die Märchenbücher, die ihnen früher vorgelesen wurden. Sie bereiten die Kinder in der Schule auf eine Romantik vor, mit der es sich hierzulande gut leben lässt. Die Noten sind eindeutig, prüfbar und gut geordnet. Wundert euch aber nicht wenn das Interesse dafür oft so gar nicht vorhanden ist; Kinder sind klug, solange sie nicht missbraucht werden. Und heute werden die Kinder massenhaft missbraucht. Nicht nur, dass man ihnen die Ohren mit Stöpseln verschließt, damit sie den Ramsch besser hören können, die von ihren modernen Smartphones nach der Demodulation von den erwachsenen Taktgebern generiert werden. Schon in den Grundschulen werden sie erzogen, dass das Oberflächliche, das die Kinder als Erstes sehen, ein ewiges Wahr sei: sie sollen leben in den besten aller Zeiten, die Leibnitz allerdings überhaupt nicht so erlebt hat; was anderes gäbe es nicht.

Nicht die Vernunft, die seit jener Zeit sich vom Mythos der Religionen entledigt hat und gerade noch rechtzeitig halbiert werden konnte, dass sie als praktische Vernunft das gesittete Leben der Bürger nicht stört: als praktische Vernunft hat sie das quid pro quo, das erst den Raub unauffällig macht, in die Gesellschaft nach und nach eingebracht und heute alles diesem Prinzip unterworfen.

Diese Medizin musste den Menschen verordnet werden und vor allem denjenigen, die noch guten Willens waren, der dem freien Willen des Erasmus entsprach und mit dem unfreien Willen von Luther überhaupt nichts anfangen konnte. Sie sind noch heute erschrocken von dieser Bevormundung durch einen Glauben, der ihnen von neuen Herren nicht nur angetragen, sondern dem sie sich unterwerfen mussten. Ihr Seelenheil sei vorbestimmt, darüber ist nicht mehr zu reden. Das „mutuum date nihil inde sperantes“, dass bisher Vorbild und moralische Orientierung in ihrem entbehrungsreichen und armseligen Leben war, sollte endgültig in Vergessenheit geraten. Vielerorts wurde es auch vergessen und heute würden die Politiker weiß Gott was dafür geben, wenn sie ihn endlich auch endgültig loswerden könnten, den Lukas, der nach Matthäus auch nicht mehr in ihre Zeit passt. Sie tun alles damit wenigstens nicht mehr bei ihm gelesen wird und wenn dann abgeschieden und leise, flüsternd gar: Keiner soll es hören. Es sei uncool, wie ihre Kinder auch sagen. Die Gefahr ist latent, das Lesen könnte eine neue Aufklärung begründen, die das Schlächtige, meist Abschlächtige, dessen Blut Luther gern am Halse trug und der sich auch öffentlich dazu bekannte, genauer untersucht; die erinnern lässt, dass die Bauern in einen letzten hoffnungslosen Krieg aufbrachen, als sie ihnen die Allmenden wegnahmen und damit den letzten Rest freien Lebens abschafften.

Nur noch im Schweiße des Angesichts, freudlos, unfrei, dem Willen eines neuen Gottes unterworfen, den sie gestern noch gar nicht kannten und von dem ihr Pfarrer Müntzer noch ganz anders berichtet hatte. Thomas Müntzer hat die Liturgie geändert und sich zum Volk gewandt! Eine Geste, die Luther bei ihm abgeschaut und zur Blasphemie herabgewürdigt hat. In die neuen protestantischen Gotteshäuser, in denen es so düster zuging, wollten sie nicht hinein. Das Leben war draußen düster genug und die wenigen Freuden, die natürlich oft gegen die Worte des Herrn verstießen, konnten noch zu Lebzeiten verziehen werden: mit drei Ave-Maria und einem Vater-unser wenn man Schlimmeres tat und gar kein Geld hatte; in der Beichte.

Die Zeit des römischen Pontifex endete. Im eigenen Staat, der deshalb aber kein Gottesstaat war, konservierte er sich nachdem Napoleon am Ende als Sieger hervorging. Wollen wir die Überlegungen, wie dieser Planet jetzt noch gerettet werden kann ernsthaft weiterdenken, müssen wir zurück und beim Pontifex in Avignon nachschauen; eine Geschichte, die heute kaum mehr einer kennt und die uns am Ende nach Cuba führen wird.

Dort in Südfrankreich war der Boden noch bestellt. Unter dem Fürsten wurde er verwaltet streng nach dem Evangelium nach Matthäus. Deshalb steht die Bulle Uncam Santan aus dem Jahr 1302 im Zentrum dieser Geschichte: Das Primat der geistlichen über die weltliche Macht. Ein Primat, das nicht geteilt werden durfte, das nicht geteilt werden kann, sonst wäre es kein Primat. Da wurde auch nicht verhandelt, das war kompromisslos, wie jede Bulle das Wort eines Pontifex ist.

Das ist lange her und zum besseren Verständnis muss dieser Zeit entgegengegangen werden mit Ereignissen, die verstanden werden können weil noch lebendig und sehr wahrscheinlich wahr. Alle Dokumente zeugen davon, liegen vor und die, die es erlebt und gemacht haben, leben noch.

Die Zeit des Mauerfalls ist Ausgangspunkt für die rückwärts angetretene Reise; diese Zeit kennen noch die Meisten. Das gesamte sozialistische System war zusammengebrochen und manche Mauerstücke, die mit Pickel ud Vorschlaghammer materiell und ideell zertrümmert wurden trafen Cuba hart was nun wirklich nicht sofort verstanden werden kann weil Mauerstücke gar nicht soweit fliegen können. Aber wir sind längst gezwungen, das anders zu betrachten und alles unter der weltweit errichteten Herrschaft des Rechts zu verstehen was meist außer Acht gelassen wird: Es wurde schon darüber geschrieben: Das soll keiner merken! Aber nur so können wir die Losung des Comandante verstehen, die in Permanenz gilt: Vaterland oder Tod. Da ist keine Revolution mehr nötig, sie muss allein bewahrt werden. Dort in Cuba traf der Stein und doch beugte sich keiner. Das stimmt nicht ganz: Am 5. August 1994 rannten Einige auf die Straße. Kant nannte sie früh schon den Pöbel und deshalb sprechen wir vom kantischen Pöbel wenn wir diese Szenen meinen. "Filmt das damit die Welt sieht was in diesem Land passiert", so rief es ein Gehetzter in Havanna einem Kameraman der internationalen Presse zu, die ständig Cuba unter besondere Beobachtung hält. Dieses Ressort war von den Großen der Weltpresse immer besetzt und meist staatlich finanziert; da lauerte man. Einer Intervention der Mächte von außerhalb des Landes kam er persönlich zuvor; Fidel Castro lief selbst auf die Straße. Ungeschützt. Er sprach inmitten der Menge mit ihnen in seiner unverwechselbaren Art. Böse Stimmen behaupten, er hätte wie immer zu lange geredet deshalb wären sie wieder nach Hause gegangen. Aber das wird anders gewesen sein denn sonst wären sie wiedergekommen, immer wieder; aber sie kamen nicht mehr und verstört schaut die Weltpresse seither nach Cuba.

An jenen Tagen des Mauerfalls spürten die Menschen in Cuba was es bedeutet, das Copyright, das Lizensrecht, das es unmöglich macht Medikamente im eigenen Land selbst herzustellen wo doch alle Substanzen bekannt sind. Sie mussten auch akzeptieren, dass das Recht längst nicht mehr den Überlegungen früherer Staatstheoretiker wie John Locke oder David Hume folgt, die noch eine beidseitige Willenserklärung in den Mittelpunkt ihrer Entwürfe stellten, wohl wissend, dass mitunter dem Willen eines Vertragspartners gehörig nachgeholfen werden muss. Sie lernten das Diktat kennen, das bereits die Kinder üben und es ihnen selbstverständlich scheint, dass da nicht mitzuwirken ist außer, dass man Buchstaben für Buchstaben dem Diktator zielstrebig folgt, und jeder kann sehen wo heute der Diktator sitzt, der über die Welt herrschen will. Die Menschen in Cuba leiden besonders unter ihm und mussten ihre Tagesrationen an Lebensmitteln noch einmal kürzen, obwohl diese in all den Jahren zuvor schon sehr kurz waren. An Benzin war gar nicht mehr zu denken. Aber hier kam ihnen die Topografie ihres Landes entgegen; alles konnte letztlich dann doch noch zu Fuß oder mit dem Fahrrad bewältigt werden. Die Uhren gehen in diesem Land ohnehin ganz anders. Sie werden vom Leben getaktet und nicht von der Wirtschaft; man hat ja eh nichts was nach Wohlstand aussieht: diesen lebt man besser. Jeder der es wissen wollte konnte es wissen: schwarz auf weiß und ganz im Sinne Goethes: „Denn was man schwarz auf weiß besitzt kann man getrost nach Hause tragen.“ Sie trugen es nach Hause und waren froh über das Wenige aber gesicherte, was ihnen schwarz auf weiß seit 3 Jahrzehnten zugesichert war, jetzt aber wegfiel. Der Zusammenbruch der Sowjetunion beendete das "mutuum date nihil inde sperantes" des Lukas. Ausgerechnet von einem gottloses Staat begründet und zwischen gottlosen Regierungen verabredet spielte sich die Tragödie ab, die Dank des Wandels der Strategie des Comandante nicht zu einer Endzeittragödie sich weiter entwickelt hat: Er zog seine Uniform aus und ein weißes Hemd an. Natürlich ohne Kravatte sonst wäre alles Verrat gewesen. Dass er zuletzt einen Adidas-Trainingsanzug trug wird seinen Feinden geschuldet sein; im Alter überwiegt dann doch die Ironie und man gönnt den Feinden: die sehen Derartiges gern. Aber dieses Symbolische weist auch in eine Zukunft, die dann doch wenigstens einen kleinen Wohlstand gemeinsam mit Allen erhoffen darf, der auch privater Natur sein soll und einem staatlich verordnetem Wohlstand die vorletzte Türe weist, bevor sich die letzte Türe öffnet.

Bevor der Weg rückwärts weiter gegangen wird muss der Reisebegleiter etwas über sich sagen damit wir wissen mit welchen Augen und Ohren er unter uns ist. Weshalb er dieses Cuba erwähnt hat und weshalb ausgerechnet dort diese Reise enden soll. Das Wetter ist gut dort, so passt das schon und dem Fremden soll es dort auch gut gehen, wenn er Devisen ins Land bringt; aber verstehen kann man das nicht. Er sieht und hört auf viele, die alles schon geschrieben haben und hier nur ausgewählt, keinesfalls aber erwählt wurden. Aber Geduld, lesen wir erst einmal bei Leo Kofler:

"Man mache sich nichts vor: Es gibt keine gesellschaftliche Freiheit ohne Freiheit für das Individuum, das nach Autonomie, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit strebt, und das, solange es menschliche Geschichte gibt, unter Freiheit die möglichste Freiheit von allen Schranken und Bindungen verstanden hat, versteht und verstehen wird. Im Vergleich zu den vorangegangen Gesellschaftsepochen stellt die bürgerliche Gesellschaft innerhalb der Klassengeschichte die letzte und höchste Form der Freiheit dar. Aber es ist ein Irrtum der bürgerlichen Ideologie, diese Form der Freiheit mit der absoluten Freiheit gleichzusetzen. Denn die bürgerliche Freiheit, die dem Individuum in weitgehendem Maße freie Bewegung gewährt, stellt gleichzeitig eine Form dar, die eine solche Freiheit nur vortäuscht, indem sie unter dem Schein der Freiheit die Weiterexistenz starker freiheitsbeschränkender Bindungen, d.h. wesentliche Elemente der Unfreiheit, nicht bloß zulässt, sondern geradezu voraussetzt. Der Widerspruchscharakter der bürgerlichen Freiheit ist Ausdruck des Widerspruchscharakters der bürgerlichen Klassengesellschaft überhaupt. Er liegt begründet in der Tatsache, dass einerseits in der bürgerlichen Gesellschaft das Individuum – jedes Individuum – als völlig autonomer und gleichberechtigter Warenbesitzer und damit als völlig autonomer und gleichberechtigter Vertragspartner auftritt, andererseits aber der einseitige, d.h. ganze Klassen ausschließende Besitz an den Produktionsmitteln gleichzeitig diese Autonomie und Gleichberechtigung der Individuen aufhebt. Der durch diese Tatsache ausgedrückte Widerspruch ist der Widerspruch zwischen dem bloß rechtlichen (formalen) und dem auf dem Besitz beruhenden faktischen (sozialen) Zustand in der bürgerlichen Gesellschaft. Die Aufhebung des Widerspruchs zwischen der formalen Freiheit und der sozialen Unfreiheit bedeutet die Aufhebung der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt. Sie ist innerhalb dieser Gesellschaft nicht möglich."

Oft wird deshalb ganz der hegelschen Dialektik folgend von der notwendigen Revolution geschrieben. Warum sein Buch aber vom Ende der Revolutionen schreibt, ist ohne Weiters auch nicht zu verstehen. Allerdings schließt dieser Titel die Permanenz der Revolution mit ein, womit schon wieder Castros Cuba gemeint ist. Deshalb sollten wir den Weg gehen, um zu verstehen, weshalb unser Begleiter bezüglich seinen Überlegungen zunächst von der Pest des Protestantismus schreibt und dann einen anderen Weg nach Cuba gehen will. Kommentare sind erwünscht; es soll kein Schweigemarsch werden.

Grundlegende Gedanken, die uns auf diesem Weg begleiten sollen, können unterwegs diskutiert werden. Zentral wird die Frage sein: "Was braucht der Mensch?" Diese Frage bildet sozusagen den Kompass, den wir auf diesem Weg zurück durch die Geschichte benötigen, sonst verirren wir uns. Viel ist passiert aber wohin sollen wir schauen? Versuchen wir eine vorläufige Antwort zu geben; kalibrieren wir unseren Kompaß.

Einen Platz, besser einen Raum, damit er von oben geschützt ist. Warm sollte es im Innern sein, so dass menschlich in ihm gewohnt werden kann. Einen Stuhl, einen Tisch, ein Bett. Einen Schrank, ein Waschbecken, eine Toilette; soviel Komfort muss sein. Das Drinnen ist damit schon ordentlich beschrieben. Firlefanz wie eine Uhr ist natürlich möglich und oft notwendig, meist aber genügt eine Sanduhr, so dass ein Ei auch wachsweich gekocht werden kann. Dieses führt dann bereits nach draußen zu den übrigen Lebensmitteln, die drinnen nicht erzeugt werden können. Gesunde Lebensmittel. Gesundes Brot. Reines Wasser. Will heißen, da muss eine Natur sein, ein Boden, der eine Produktion gesunder Lebensmittel ermöglicht.

Die Zeitungen schreiben, und vorallem die, die es gar nicht gut mit ihr meinen, dass Greta Thunberg nur deswegen den Freitag als Streiktag der Schule vorgezogen habe, weil sie von dem Film Plastic Planet geschockt wurde. Neben dem menschenverursachten Klimawandel ist dieses Verbrechen der Menschen ebenso widerlich. Diese Belastung der Meere und der Erde hätte wie der Klimawandel vermieden werden können wenn diese Sucht nach Komfort, die überhaupt keine natürliche ist sondern zu der die Menschen von Beginn ihres Lebens erzogen werden, rational entwickelt worden wäre. Heute denkt keiner mehr darüber nach weshalb die erste Flasche, die den Kindern in die Hand gegeben wird, aus Plastik ist. Praktisch sei es und das Kind könne sich sonst verletzen. Das Kind muss begreifen, begreift mit den ersten Tagen seines Erdendaseins nicht nur das Plastik sonder auch eine Logik, die keinesfalls dem Kind eigen ist. Das darf nicht sein, das verbiete die Vernunft. Aber die Entwicklung einer rationalen Logik des Kindes wird so von Anfang an erschwert. Das Kind wird missbraucht und soll der Logik der Welt gehorchen; einer Logik, von der sich das Kind später nur mit entbehrungsreichen Kämpfen erst wieder befreien muss, um menschlich werden zu können; um eine Logik zu entwickeln, die sich klar unterscheidet von der Logik der Anderen und uns Lebensmittel ermöglicht, die natürlich sind. Selten hat das Kind das Glück, nicht erzogen zu werden. Nach der Flasche greift das Kind zum Spielzeug, das ist natürlich, nicht aber das Spielzeug, das ihm gereicht wird. Als Spinner werden wir bezeichnet wenn wir das Holzspielzeug und die Strohpuppe zum Inbegriff des Spielzeugs überhaupt behaupten. Diese Gesellschaft ist krank, schwerkrank. Sie erkennt nicht, dass sie zum Schlachthaus geführt wird und mit ihrem Tod erst den Ungeschlachteten beweist wohin radikaler Nihillismus führt: Nicht einmal das Fleisch der Geschlachteten wäre genießbar weil plastikverseucht und, ich hätte es fast vergessen, dieser Bazillus auch in ihm steckt. Wacht auf! Ihr zerstört den letzten Rest an Humanismus, der doch nicht nur in die Bücher geschrieben werden darf; das ist kein Humanismus. Wir leben in der Zeit des Irrationalen, die der frühen Zeit des Mythos rational noch nicht einmal folgen kann. Wir verirren uns; schau auf den Kompass.

Die erste Wegstrecke sollten wir wortlos gehen. Die Geschehen dort links und rechts neben dem Weg schnüren uns eh die Kehlen zu; vorbei an den Konzentrationslagern weltweit. Diejenigen, die sie erbaut haben waren Menschen wie du und ich. Sie dachten anders doch das ist entscheidend. Schreckliches mussten sie erlebt haben sonst hätten sie das alles nicht bauen können; keiner hätte die Öfen errichtet, alle wären sie ungehorsam geblieben. Diese Lager haben sie errichtet, weil sie die gerade mit den Anderen und mit Gewalt geschaffenen Nationalstaaten sichern mussten oder weil sie sich als Übermenschen rassenrein wähnten und alles Artfremde vernichten wollten. Der erste Imperator der Anderen Napoleon hat den Völkern im Jahrhundert davor, das auf unserem Weg rückwärts jetzt vor uns liegt, wie früher das Land genommen; dieses Jahrhundert war im Wesentlichen davon geprägt. Davor gab es noch Landschaften, die für die Menschen Heimat waren. Ein Begriff, der inzwischen unmodern geworden ist und eines Tages zum Unwort erklärt werden wird wenn alles so weitergeht. Dort, wo Heimat noch verstanden wird, zeigen sie auf Rückständiges, das besser beseitigt werde. Sie brauchen Platz für ihre Kaufhausmeilen und Fabriken; für ihre Arbeit im Schweiße ihres Angesichts und der anderen, die nicht arbeiten. Die zählen ihr Einkommen, das die da, im Schweiße ihres Angesichts besorgt haben; sie behaupten, dass sie arbeiten obwohl sie nicht arbeiten. Wir gehen weiter, diese Zeit liegt jetzt hinter uns.

Nachdem wir aus diesem Jahrhundert heraustreten sehen wir blühende Landschaften, darin wie eingebettet Bauernhöfe, kleine Ansiedlungen von oft nur drei, vier Höfen und seltener aber immer wieder Städte, die noch Vorgärten haben. Klar, die Landschaften waren nie ihr Land gewesen, das wissen wir. Sie gehörten niemandem wenn wir einmal von diesem Gott absehen, von dem sie behaupten, dass er den Herren das Land geliehen hat; sie müssten es jetzt bearbeiten, was eben gottgefällig sei. Seht hin, wir wandern bereits in einer Zeit, in der die Landschaften noch nicht zerrissen und in das Korsett der Nationen geschnürt waren, wir wandern über Lehen. Als Lehen wurden sie auch damals betrachtet, durchwandert und manche gründeten dort Familien und ernährten sich von den Früchten und dem Korn der Erde, das sie angebaut haben. Dafür mussten auch sie die Fron für die Herren leisten, die ihnen sagten, dass er sie auserwählt und ihnen das Land geliehen habe. Es sei deshalb ein Lohn zu entrichten; auch dafür, dass sie auf diesem Boden arbeiten dürfen. Sie haben immer sehr einfach gedacht und gelebt. Denn nur wenn da jemand ist, dem das Land gehört, können die Besetzungen der Landschaften als Besitztümer den einfachen Menschen erklärt werden. Dafür haben sie eben Gott gebraucht, anders ging das nicht. Im Dorf erzählen uns die Leute, dass in Frankreich die Bürger ihren König geköpft haben. Wir schreiben das Jahr 1793, es ist kalt.

Wie weit wir noch gegangen werden muss wird gefragt. Erzähle doch einfach, was noch kommen wird; dann können wir umkehren; der Weg nach Cuba ist weit genug. Gerne wäre ich noch weiter gegangen, wenigstens noch ein paar Schritte, damit wir uns setzen können. Zwar liegt dann diese Revolution hinter uns, aber wir können uns von den Heimkehrern berichten lassen, was in der neuen Welt passiert, nachdem sie ihre Unabhängigkeit von ihren europäischen Müttern erklärt haben. Am Ende unserer Reise, sozusagen auf dem Höhepunkt der Reise rückwärts, trafen wir ihn, der es besonders genau wusste: Thomas Jefferson. Er sagte, er wäre gerade erst angekommen und werde sofort nach Paris reisen. Bis ins Jahr 1789 wolle er dort bleiben und als Botschafter der endlich Vereinigten Staaten von Amerika sein Land vertreten. Mit ihm sollten wir also wieder vorwärts reisen und werden über das jahr 1789 hinaus uns beeilen, um noch mit François-Noël Babeuf zu sprechen, bevor er auf Befehl dieses Napoleon Bonaparte geköpft wird und sein Kopf neben die Köpfe von Danton, Sant-Just und Robespierre gelegt wird; von diesen brauchen wir nicht berichten wenn wir zurück sind, diese werden heute in den Schulen noch behandelt und in den Theatern aufgeführt; Babeuf nicht oder nur selten und nur, wenn einer immer noch Zweifel daran hat, dass der Boden, auf dem wir wandern, das Eigentum von Herren sein soll.

Wie er die Menschenrechte verfassen konnte, wenn er doch zuhause Slavinnen und Sklaven halte, eine Sklavin sogar mehrfach geschwängert habe; wie das zusammenpasse? Er kenne doch den Code Noir, dieses Schreckensdokument, das Colbert extra für sein Land geschrieben habe. Warum er ihn nicht außer Kraft gesetzt habe? Wir beruhigten unseren Freund und Reisebegleiter. Er hatte und musste viel sehen auf diesen 220 Jahren rückwärts, da bricht manches unkontrolliert heraus. Thomas Jefferson indes blieb ruhig. Er schien nicht überrascht zu sein. Als Anwalt und Politiker war er aber auch mit allen Wassern gewaschen; dem machte keiner etwas vor. Nach einer Weile antwortete er ernst, er werde eine Bibel schreiben, keine katholische, das sei sicher. Seine Bibel werde Luther neu beleben, die Zeiten hätten sich geändert; aber noch studiere er. Er werde seine Bibel im Jahr 1804 schreiben. Sie werde knapp und gut lesbar.

Das war ein merkwürdiges Datum. Wir müssen zu diesem denkwürdigen Jahr 1804 wieder vorwärts gehen. Zwei Codes, die im selben Jahr ans Licht der Welt geführt wurden. Der eine heimlich, der andere tryumphal. Es lohnt sich, beide zu studieren: den Code Napoleon und diesen Code Jefferson.

Hier verweilt der Autor erst einmal. Noch soll das Weitere dem Buch überlassen bleiben.

Postscriptum: Thomas Jefferson schrieb tatsächlich seine Bibel. Er schrieb sie nicht neu. Er besorgte für seine Bibel sich das biblische Material, das er lediglich verkürzte; auf 86 Seiten, ein Guß: Mit einer Rasierklinge schnitt er alles aus, was in der lutherischen Bibel als Heilsbotschaft noch enthalten war. Vor allem die Hoffnung auf Auferstehung mitsamt den übrigen Wundern durfte nicht sein. Das "De servo arbitrio" musste den Verhältnissen angepasst werden. Wo kämen wir hin, wenn der Lazarus, von dem Johannes berichtet, weiterhin die Hoffnung der Menschen beflügelt? Heilungen müssen längst bezahlt werden und allein das ist Vernunft. Deshalb musste die Trinität, die noch Luther in seiner Bibel verteidigte, ausgeschnitten werden. Ein Jesus kann keinesfalls dem Willen des Herrn widersprechen und seine Vorsehung revidieren. Er studierte das Bakterium, das die Pest auslösen kann unter dem Mikroskop; er entfernte alle Andocksstellen, mit dem ein Anti-Bakterium diese Pest des Protestantismus noch hätte heilen können. Seine Studien unternahm er, als die Bürger in Paris die Revolution durchführten. Seine revolutionären Schnitte mit der Rasierklinge übertrafen die französischen Vorbilder. Ohne dass er es bemerkte, schuf er nebenbei ein zusätzliches Bakterium, das der Pest Paroli bieten sollte: die Cholera. Gemeinsam, aber das wurde bereits geschrieben, wählten sie das Jahr 1804 für die Fertigstellung obwohl, das wissen wir sicher, sie sich nicht abgesprochen haben.

Stefania Wilczynska und Janusz Korczak lasen übrigens nicht bei Thomas Jefferson. Stefania konnte gar kein Englisch lesen. Wir vernahmen sie kurz nachdem diese Zeitreise angetreten wurde und wir schweigend an den Vernichtungslagern vorbeigingen. Sie wussten, dass der Mensch kein Recht hat die Seelen der Kinder zu belasten; sie glaubten an die Seelen der Kinder. Sie lasen andere Bücher, Bücher der Hoffnung, und lasen sie den Kindern noch vor, als die Gaskammer längst geöffnet war. Sie widersprachen allem Glauben und auch dem katholischen: Ihren freien Willen setzten sich über das oberste Gebot Gottes, das auch in der Trinität Gottes zu bewahren ist. Sie wussten genau, dass es ein Selbstmord war als sie mit den Kindern die Gaskammer betraten. Hier triumphierte das Humane über allen Glauben. Diese Menschen sind immun, sie tragen einen anderen Bazillus in sich. Den Bazillus eines Glaubens an eine künftige Gesellschaft der Freien und Gleichen. Den Kindern sind sie immer sehr nah gewesen, damit dieser Bazillus so früh wie möglich die Kinder ansteckt und in ihnen für ein ganzes Leben lang wirkt.

Posted by Michael Schwegler at 17:09
Edited on: Samstag, 20 Februar, 2021 19:52
Categories: Vorwort (Buch)