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Montag, 30 Dezember, 2019

Die schreckliche Last der Bedürfnisse

wir wissen, dass es nicht die eigenen sind; der Mensch ist ein bedürfnisoffenes Wesen. Heute wissen das die Anderen nicht mehr. Die Prüfungen sind schwer; die Andere und ich haben völlig verschiedene Charaktere angenommen, an denen bei den Anderen so wenig Menschliches mehr erkannt werden kann. Wir können diese Prüfung nur meistern, wenn wir Emphatien von uns selbst einsetzen, um der hoffnunglosen Traurigkeit der Anderen abzuhelfen; anders ist der Konsum nicht zu ertragen, wir würden scheitern. Ein Humanismus darf nicht scheitern, er ist unteilbar und darf auch nicht wie das Christentum verkommen indem geteilt wird: Ihr jene, ich diese Hälfte; das Ergebnis ist stets dasselbe. Krieg. So hat es auch Rousseau gedacht, als er meinte, die Religionen überwinden zu können und sie aus dem Staat warf. Der Staat solle es fortan richten. Er richtet es, täglich, mit Feuer und Schwert. So aber hätte man auch gleich bei der Bibel bleiben können: "Ich aber sage euch."

Die Züge sind voll, Flugzeuge starten und landen in einem Takt, dass oft ein Flughafen nicht ausreicht, dem Verkehr noch Herr zu werden. Selbst die schwimmenden Hotels, die unglaublich viele Menschen in Gegenden rund um den Erdball schiffen, um dort zu bestätigen, dass er recht hatte, als er die Sprache der Haare entschlüsselte, sie sind inzwischen auch voll. Wo wollen diese Menschen alle hin? Mehr! ruft die Werbung, die wir nicht abschalten können. Darin erkennen wir diese Aporie, die uns schon ein Leben lang gehindert hat mit den Anderen in menschlichen Kontakt zu treten. Hier waren wir schon immer auf Charaktermasken angewiesen; wir mussten doch lernen uns zu Benehmen. Aber mit welchem Recht werben sie?

Ohne Charaktermasken treffen wir sie heute noch, Menschen, die in ihren Vorgärten sich um die Blumen kümmern und im Innern ihres Hauses selten einen Gegenstand verrücken; alles hat seinen Platz. Die fragen nicht wem der Platz gehört, dieses Bedürfnis haben sie nicht. Auf die Fage, ob sie inzwischen im Winter mehr als ihre Küche beheizen werden sie verlegen. Die Kinder kämen jetzt öfters und die Küche sei zu klein. Sie reisen auch nicht. An den Abenden hören sie gerne zu, wenn ihnen von anderen Gegenden berichtet wird. Grenzen überschreiten sie eh nicht, man ist hier zuhause. Im Dorf kenne man immer weniger, die jetzt hier wohnen. Früher, da trafen sie sich im Kalthaus. Pünktlich um 17 Uhr, zuletzt aber nur noch für eine Stunde, dann wurde es abgeschaltet; nicht das Kalthaus, das Licht im Innern. Jeder hat jetzt einen Kühlschrank, das sei modern. Die Bilder, die sie stickten, die Pullover, die sie strickten und auch die übrigen Handarbeiten, die mit den Kuckucksuhren im Schwarzwald sogar einen Weltruf begründeten, nichts gehe mehr. Heute sind sie die Letzten, die abends noch in den Katalogen blättern, weil das Internet zwar da, aber nicht verstanden wird. Sie wollen es nicht verstehen. Alles sei so billig geworden. Den Rest ihrer Renten verschenken sie. Wofür sie etwas kaufen sollen? Weshalb? Ich habe doch alles, und ins Wirtshaus gehen sie schon lange nicht mehr seit der Krieg vorbei ist. Früher, ja früher.

Ihre Energiebilanz ist negativ. Sie verbrauchen zu wenig. Das muss geändert werden. Es gibt ein Leben vor dem Tod und das Fernsehen.

Es war ein Naturschauspiel gestern morgen. Kurz vor 8 Uhr hat es begonnen. Blutroter ferner Horizont, davor diese eben zarte Wolkendecke, die klar an den Rändern begrenzt war um die Ausläufer der Farben, die jetzt im Winter etwas von der Morgensonne erahnen lassen wirkungsvoll in Szene zu setzen. Das war nicht bestellt. Das sehen nur Wenige. Das sehen die Anderen heute schon lange nicht mehr. Sie arbeiten um diese Zeit. Damit verdienen sie ihr Geld, um all das in Szene setzen zu können; wir leisten uns was.

Posted by Michael Schwegler at 7:19
Edited on: Montag, 30 Dezember, 2019 16:26
Categories: Der einfache Mensch