Das Brot war teuer


Noch einmal musste ich den Weg gehen. Wieder konnte der Weg verkürzt werden. Aber diesmal war es noch einmal anders. Mit der Mutter der Kinder holte ich die Beiden ab. Wir waren spät und alle Kinder waren in einem Gruppenraum. Als sie uns sahen lief die Große sofort an uns vorbei nach oben zu ihrer Garderobe. Wir zogen den Kleinen an, der vergnügt und sich recht albern anstellte. So dauerte es bis er in seinem Schneeanzug samt Handschuh und Mütze eingepackt war. Jetzt wollten wir los gehen und riefen die Große. Sie rief zurück: „Nicht hochkommen“; wieder dauerte es. Nach endlos langen Minuten wurde die Mutter der Kinder unruhig, sie schien plötzlich genervt ob der Warterei. Jetzt mahnte sie ihr Kind. Das Kind schien trotzig und wiederholte jetzt deutlich bestimmter: „Nicht hochkommen“. Meine Tochter fragte ich, ob ich da etwas nicht mitbekommen habe und ob noch etwas besorgt werden müsse. „Nein“ erwiderte sie „aber das Kind soll nicht trödeln“. Ich entgegnete, es gefiele mir hier und ich wolle noch in den Garten schauen.

Da kam die Große die Treppe herunter. Komplett hatte sie sich alleine angezogen und sogar den Schal umgebunden; sie war stolz und strahlte. Ob ihre Mutter strahlte weiß ich nicht, ich sah nur das Kind. Aber ich hoffte es und will ihr keineswegs Vorschriften machen. Ich weiß es war spät, sie kam von der Arbeit.

Auf dem Heimweg trennten wir uns. Sie bat mich noch Brot einzukaufen und ich tat es. Die Kinder warteten in ihrer Karre. Ich spürte ich hatte einen 5 € -Schein im Anorak. Als ich die Brotpreise sah bestellte ich ein halbes Brot. Mit 800 Gramm fühlte ich mich auf der sicheren Seite. Da täuschte ich mich gehörig; mit 5,80 € war ich irritiert und wollte schon etwas sagen, obwohl ich Hemmungen hatte etwas zu sagen weil das Brot für mich geschnitten wurde. Ich hatte Glück. Tief in der Hosentasche fand ich noch 3 € und alles war gut. Den Laden werde ich nicht mehr besuchen. Wie sollen das einfache Menschen tagtäglich bezahlen können? Als wir weiter gingen meldete sich die Große als wir an einer Metzgerei vorbeiliefen. „Eine Wurst“ rief sie und schien hektisch. Sie erklärte mir, dass Mama hier ihnen immer eine Wurst kaufe. Natürlich verstand ich ihren Wunsch und wollte mich da auch nicht einmischen, allerdings erklärte ich ihr, dass ich zu wenig Geld habe und wohl keine Wurst kaufen könne. Sie erklärte mir, dass ich auch mit Karte zahlen könne. Dass ich keine Karte hatte beruhigte sie nicht; sie wolle aber eine Wurst. Sag die Wahrheit. Das war ein Slogan, den ich in den letzten Tagen oft intellektuell kritisierte, deshalb war er mir im Kopf. Wir wollen fragen was so eine Wurst kostet und vielleicht reiche das Geld. In der Metzgerei kannte man sie. Schnurstracks lief sie an die Theke und zeigte mir die Würste. Sofort erkannte ich, dass diese einer Preisklasse angehörten, in der meine 2 verbliebenen Euros nicht mitspielen konnten. Nur eine Wurst erklärte jetzt das Kind und die Verkäuferin wog eine Wurst, die sie aus dem Bündel herausgezogen hat. Das Kind bekam die Wurst. Kaum waren wir zurück an der Karre verlangte der Kleine seine Wurst, an die ich gar nicht gedacht hatte. Ich war sofort froh als die Große ihm die Wurst hinhielt und ihn aufforderte abzubeißen. Er aber hielt beide Hände vor den Mund und wiederholte seine Forderung. Als Pädagoge ist es eine meiner leichtesten Übungen, ihn abzulenken und kurz vorm Zuhause ließ er sich, im Glauben dass ich es nicht bemerke, von seiner Schwester füttern.

Meine Tochter lernte viel als wir später über die Umwege sprachen. Ich glaube, sie wird künftig gerne Umwege gehen wenn sie merkt, dass sie sich im Weg geirrt hat. Aber wie regelt sie das mit der Arbeit?

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